Die Geschichte mit dem Hund

Eigentlich sollte ich an dieser Stelle über die Wanderung 5-4 – Zu den Gärten der Benediktiner. Von der Burg Gars ins Stift Altenburg berichten. Sie stammt aus unserem Buch Wandern im Waldviertel und ist eine der vier Routen, für die uns die schöne Stadt Horn (hier im Porträt) als Ausgangspunkt dient. Aber die Beschreibung dieses Weges mit all seinen Schönheiten und Sehenswürdigkeiten können Sie ja in besagtem Buch nachlesen – ich erzähle Ihnen hier lieber die Geschichte mit dem Hund.

Nachdem wir mit der Kamptalbahn von Horn in den idyllischen Luftkurort von Gars am Kamp gefahren waren, begannen wir unsere Wanderung am Bahnhof Gars-Thunau …

… an dem sich über den Klotüren noch zwei erfreulich altmodische Aufschriften fanden (siehe unten): „Herren“ und „Frauen“ – nicht „Herren und Damen“, wie das vielleicht einst in der Großstadt üblich war, auch nicht „Männer und Frauen (und Unentschiedene)“, wie man das heute in der Großstadt macht, nein: „Herren“ und „Frauen“. Denken Sie sich Ihren Teil und gehen Sie, wenn Sie noch müssen. Und dann bewundern Sie auf den ersten Metern der Tour das leider längst aufgelassene alte Kurhotel, über dem die noch älteren Ruinen der Burg aufragen.

Wie gesagt … steht alles im Buch, von der Möglichkeit, den Turm der historischen Festungsanlage zu besteigen, über den rekonstruierten Edelsitz Wolfshof, bis zum Wanderweg über Felder, in Waldstücken und durch still daliegende Dörfer. In einem dieser Dörfer – meiner Erinnerung nach war es die Ortschaft mit dem schönen Namen Wanzenau – war dann plötzlich der Hund da. Er muss aus einem der Bauernhöfe gekommen sein, die völlig unbewohnt wirkten und aus denen kein Geräusch drang. Auf einmal lief das Tier, eine schwarze Promenadenmischung und durchaus freundlich, neben uns her. „Na gut“, dachten wir uns. „Kommt ja vor. Ein Hund hängt sich in einem Dorf an ein paar Wanderer an und rennt ein paar Meter mit.“

Wir gingen also weiter, auf das Ortsendeschild zu. Kurz davor stand eine ältere Dame in einem Gärtlein neben der Straße, riss Unkraut aus oder setzte es ein, wir wissen es nicht, warf uns aber auf jeden Fall und sicherheitshalber misstrauische Blicke zu. „Der gehört nicht uns“, fühlten wir uns bemüßigt zu sagen, was das Misstrauen eindeutig noch verstärkte, während der Hund freudig schwanzwedelnd vor uns dahinlief.

Im nächsten Waldstück fuhr dann ein bestens gelaunter Bauer mit seinem Waldtraktor an uns vorbei. Wir winkten ihm zu, nun schon ziemlich verzweifelt, und fragten: „Wissen Sie, wem der Hund gehört? Der ist uns im letzten Ort zug’rennt, und jetzt bringen wir ihn nicht mehr an.“ Der Landwirt war sich nicht ganz sicher, brachte den einen oder anderen Namen ins Spiel, konnte uns aber auch nicht weiterhelfen. Auch nicht, was den Hundeabtransport betraf: Sooft wir es schafften, das Hundsviech auf den kleinen Anhänger des Traktors zu locken, sprang er auf der anderen Seite wieder hinunter und hechelte uns fröhlich an; wahrscheinlich glaubte er, wir wollen spielen.

Nun denn – der hilfsbereite Bauer fuhr seiner Wege, der Hund jedoch blieb uns treu und begleitete weiter unseren Weg.

Über eine ausgedehnte Wiese marschierten wir dann in den Ortsflecken Steinegg am Kamp hinunter (dieser Ort wäre übrigens eine Station unserer wegen einer Wegüberflutung gescheiterten Wanderung gewesen, über die wir unter dem passenden Titel „Abgesoffen!“ berichteten). Nun beschlossen wir, ernsthafte Anti-Hunde- bzw. Hundehilfs- und Heimbringungsmaßnahmen zu ergreifen. Im ehemaligen Gasthof Dunkler, den es leider nicht mehr gibt, waren mehrere Herren zugange, die das Lokalgebäude zu einem luxuriösen Wohnhaus umbauten. Wir sprachen ein paar von ihnen an, konnten uns jedoch in keiner für Menschen erkennbaren Sprache mit ihnen verständigen; also holten die Herren einen Vorgesetzten, der zwar auch vor allem Ausländisch beherrschte, aber durchsetzt mit ein paar Brocken Deutsch – und unsere bescheidene Anfrage, ob wir den Hund eventuell da bei ihnen lassen könnten, mit einem entschiedenen „Nein!“ beantwortete.

Somit war die Zeit für einen Behördeneinsatz gekommen. Nach ein paar telefonischen Komplikationen (Tenor: „Warum rufen Sie diese Nummer an?“ „Weil man unter der anderen Nummer niemanden erreicht.“ „Aber die Nummer dürfen Sie nicht anrufen, die ist nur für Notfälle.“ „Wir haben einen Notfall, einen Hundenotfall.“ „Das ist kein Notfall.“ „Dann sagen Sie mir doch bitte eine Nummer, wo ich anrufen kann!“) erreichen wir schließlich einen von den Ordnungsbeamten, die man früher noch Gendarmen nannte, die aber mittlerweile alle „Polizei“ heißen – wenn sie auch nicht unter ein und derselben vernünftigen Telefonnummer zu erreichen sind. Dieses spezielle Exemplar dürften wir übrigens in seiner Mittagspause gestört haben, was seine Laune erheblich dämpfte.

„Grüß Gott, ich rufe Sie an, weil ich melden möchte, dass uns seit geraumer Zeit ein Hund auf unserer Wanderung begleitet, aber der gehört uns nicht – und wir wissen nicht, was wir mit ihm tun sollen. …“
„Wo sans denn?“
„In Steinegg, gegenüber vom früheren Gasthaus Dunkler.“
„Und wia lang is der Hund scho bei Ihna?“
„Fast eine Stunde, seit Wanzenau.“
„Nau, der wird scho von söba zruckrenna.“
„Das glaube ich nicht, weil erstens sind wir jetzt fast vier Kilometer mit ihm unterwegs, und zweitens ist er keinem vernünftigen Argument zugänglich und schaut auch nicht so aus, als ob er nach Hause zurückfinden würde.“
„Wieso homsm dånn ibahaupt mitgnumma?“
„Heans, ich sag’ ihnen doch, wir haben den Hund nicht mitgenommen, sondern der war plötzlich neben uns und ist nicht mehr von unserer Seite gewichen.“
„Dånn gengans hoid zruck mit eam.“
„Ich denke nicht daran!“

Und so weiter und so fort, bestes Kakanien, gemischt mit der hysterischen Harmonie einer Courths-Mahler. Jedenfalls stellte sich nach längerem Gespräch heraus, dass der Beamte keinesfalls gewillt war, den Hund abzuholen und seine Heimbringung zu bewirken („ned zuaständig!“), also hatschten wir weiter, während das Tier weiterhin fröhlich um uns herumsprang.

Als wir nach Steinegg die Anhöhe über dem Kamp erklommen hatten, kamen uns zwei Wandersfrauen entgegen, die sich über unseren netten Hund („DER GHERT NED UNS!!!“) freuten. Wir erklärten den Damen unsere missliche Lage, und sie waren sofort bereit, da sie in Richtung Gars unterwegs waren, den Hund mit sich zu nehmen. Sogar ihr Wurstbrot boten sie ihm an, um ihn auf den Rückweg zu locken. Doch das war dem Hund wurst – er wollte bei uns bleiben.

Unten sehen Sie übrigens das einzige Photo unseres hündischen Begleiters, das uns in der ganzen Zeit gelang. Denn so dümmlich das Tier war (man muss es ehrlich sagen …), es wusste sehr gut, wie man dem Blick der Kamera ausweicht.

Nun war es aber höchste Zeit, das Problem noch ernsthafter anzugehen als bisher. Schließlich näherten wir uns dem Ziel unserer Wanderung und wollten den Hund keinesfalls nach Hause mitführen. Während eines rutschigen Abstiegs überantwortete ich dem Kollegen Meistersinger also die verantwortungsvolle Aufgabe, auf seinem Smartphone die Dorfschranzen von Wanzenau zu recherchieren – Bürgermeister, stellvertretender Bürgermeister, Ortsvorstand, Feuerwehrhauptmann usw. usf. Die so herausgefundenen Nummern rief ich dann auf meinem einfachen mobilen Fernsprechgerät (smart bin ich selber …) durch. Bei einigen meldete sich gar niemand, bei anderen die werten Gattinnen, weil die verantwortungsvollen Herren wahrscheinlich irgendwo in irgendeiner wichtigen Mission unterwegs waren. Und es kamen auch erste Hinweise: „Das könnt’ der Hund von der Frau Sowieso [Name von der Redaktion geändert] sein, der ist öfters unterwegs.“

Ich bedankte mich und wählte wieder eine Nummer. „Grüß Gott, Frau Sowieso [Name der betreffenden Person – hoffentlich – bekannt]!“ begrüßte ich die mürrische Stimme am anderen Ende der drahtlosen Verbindung ebenso forsch wie gut gelaunt. „Haben Sie eventuell einen schwarzen Hund, der seit zirka zwei Stunden abgängig ist?“ „Is des deppate Viech scho wieder ausgrennt?!“

Genau.

Ich erklärte der Frau Sowieso (Name vom Autor schlecht erfunden), dass wir in etwa einer Viertelstunde beim Stift Altenburg eintreffen und ihr Haustier dort am Parkplatz übergeben würden. Und dann marschierten wir hoffnungsfroh weiter.

Wir kamen zu guter Letzt zu besagtem Stift und zu besagtem Parkplatz. Der Hund lief dort wie aufgezogen herum, wollte sich anderen Passanten anschließen oder zu denen ins Auto steigen, blieb aber wenigstens immer in Sichtweite. Dann bog ein nicht mehr ganz junger Kombi in den Parkplatz ein, eine – nein, ich spare mir das jetzt – Frau stieg aus, war an unserer höflichen persönlichen Vorstellung relativ desinteressiert, erspähte den Hund, pfiff ihn her und packte ihn mit den Worten „Was fiahst denn auf, du Trottel?“ am Gnack, um ihn auf den Rücksitz des Autos zu verfrachten. Anschließend murmelte sie kurz ein „Wiederschaun“, setzte sich ohne ein Wort des Dankes ans Steuer und rauschte ab.

Jetzt verstanden wir den Hund. Da täten wir auch wegwollen …

Ansonsten: schöne Wanderung. Erfreuliche Gegenden. Burg am Anfang, Stift am Ziel. Aber das können Sie ja, wie gesagt, alles in unserem Buch Wandern im Waldviertel nachlesen. Wir wünschen viel Freude dabei. (ph)


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