Abgesoffen!

Diese Schilder in der kleinen Ortschaft Krug im Waldviertel (Gemeinde Pölla) hätten uns schon darauf hinweisen sollen, dass es nicht einfach sein würde …

Anscheinend konnte man sich dortselbst nicht ganz einig darüber werden, wer den Schlüssel zum Bergfried zu welcher Uhrzeit ausgeben sollte – obwohl der Ort wirklich nicht groß ist. Wir machten uns an diesem bewölkten Augusttag dennoch zur angegebenen Hausnummer auf, weil wir die Ruine Schauenstein im Zuge einer geplanten Tour für das Buch Wandern im Waldviertel besichtigen wollten. Allein – auf unser Läuten und Klopfen reagierte niemand. Man sah nur eine kleine und eine riesige Hundeschüssel vor dem Haus, wobei zweitere mindestens einen Dobermann erwarten ließ. Mutig wie stets wagte sich Kollege Singer mit einem sonoren „Hallo!“ in das Gebäude vor. Wir rechneten kampfhundemäßig mit dem Schlimmsten, doch der Wanderfreund kam unversehrt und mit dem relativ kostengünstig ausgeborgten Schlüssel wieder aus dem Haus, sodass wir unsere Wanderung beruhigt antreten konnten.

Der Aufstieg zur Ruine war nicht allzu anstrengend und nur etwa einen Kilometer lang. Und wie unsere Leser wissen – wir haben was übrig für Burgen und Ruinen, also auch für Schauenstein.

Die Ruine Schauenstein, so erklären uns die zahlreichen Informationstafeln im Ort und beim Bauwerk selbst, liegt auf einem steil zum Kamp abfallenden Ausläufer des Buchbergs. In ihrer vollständigen Version war sie Teil einer Kette von Burgen entlang des Kamps, von der Rosenburg bis Lichtenfels, die in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts als Verteidigungslinie gegen die Böhmen angelegt wurde. Ende des 13. Jahrhunderts befand sie sich im Besitz Hadmars II. von Sonnberg, einem Verwandten der Kuenringer, deren Spuren wir allerorten im Waldviertel begegnen. 1672 wurde die romanische Höhenburg nach zahlreichen Konflikten aber – wahrscheinlich von den Schweden – endgültig zerstört und wird seither in den Geschichtsbüchern als Ruine geführt. Ende der 1980er Jahre hat man die Ruine restauriert; seither ist sie ein beliebtes Ziel für Waldvierteltouristen und ein schöner Aussichtspunkt.

Der Besuch lohnt sich auf jeden Fall. Die Ruine ist sehenswert, bietet zahlreiche bemerkenswerte Anblicke sowie Photomotive – und es ranken sich auch etliche Sagen um sie. Eine davon ist die vom „goldenen Fassl“: Drei Brüder hatten eines Nachts denselben Traum, der ihnen verriet, dass sie am Karfreitag zur Schauenstein gehen und dort ein Fass aus reinem Gold ausgraben sollten. Sie durften dabei nur kein Wort sprechen. Die drei machten sich also auf den Weg und gruben im Ruinengelände tatsächlich ein goldenes Fass aus, das noch dazu mit Diamanten und Edelsteinen gefüllt war. Da tauchte plötzlich ein Kobold auf und sagte zu ihnen: „Grabt’s nur weiter, glei’ könnt’s den Schatz haben. Aber der mit’m blauen Leibl g‘hört mir.“ Da erschrak der Angesprochene und rief aus: „Warum denn grad i?“ Und schon war der Schatz verschwunden …

Wie die Sage es will, soll er nun für 100 Jahre verborgen bleiben. Erst dann kann ein Sonntagskind – das in einer Wiege gelegen ist, die aus einem im Burghof der Schauenstein gewachsenen Kirschbaum gedrechselt wurde – den Schatz wieder zu heben versuchen.

Wir haben’s gar nicht versucht, weil sowieso keiner von uns je in einer Wiege gelegen ist. Außerdem hatten wir genug damit zu tun, die Anfechtungen durch die Familie mit den brüllenden Kindern zu überstehen, die durch den Burghof streiften und sich so benahmen, als hätten sie die Schauenstein selber gebaut, bewohnt und dann auch gleich wieder ruiniert. Mit denen wollten wir nicht auf den imposanten Bergfried (siehe oben) steigen; schließlich hatten wir für den Schlüssel bezahlt und die nicht. Punkt. Also warteten wir ab, bis diese Leute schreiend im Wald verschwanden, bevor wir im Turminneren zur Aussichtsplattform hinaufkeuchten. Und dort oben sahen wir gleich eine tote Maus friedlich daliegen. Die hatte das Gebrüll wahrscheinlich nicht mehr ausgehalten …

Der Blick vom Bergfried auf die Schleife des Kamps unter uns war aber sensationell, wie Sie unten sehen. Dass der Fluss hier noch naturbelassen ist, haben wir übrigens Naturschützern zu verdanken, die Anfang der Achtziger verhindern konnten, dass der Kamp auch hier aufgestaut wurde.

Und da wir den Kamp nun so schön von oben gesehen hatten, machten wir uns nach der Ruinenbegehung gleich an den Abstieg zu seinem Ufer, wo uns eine weitere Ruine erwartete, diesmal allerdings nur die eines Hauses ohne nähere Bezeichnung. Immerhin aber war sie mit Markierungen versehen, die uns den richtigen Weg nach links, auf dem Kamptal-Seenweg 620, wiesen.

Und siehe da, der Kamp führte viel Wasser, weil es in den letzten paar Tagen ordentlich geregnet hatte, und war scheinbar zum reißenden Fluss geworden.

Andererseits war auch der Wanderweg nicht besonders gepflegt, wie man an den untenstehenden Photos sieht. Wir alle – auch das Begleitkind Nr. 1 (mittlerweile ein Begleitjugendlicher) – mussten uns den Weg durchs Gebüsch bahnen, und einmal stießen wir auch auf ein fröhlich vor sich hinverwesendes Tierskelett, das einen grauslichen Geruch verströmte. Gottlob ist keiner von uns hineingestiegen. Aber dann …

… war der Weg zu Ende. Kurz nach dem Photo unten hörte er einfach auf, war von den Wassern des Kamps überflutet und konnte beim besten Willen (auch wenn man bereit war, sich nasse Füße zu holen) nicht weiter beschritten werden. Wir waren davon so verstört, dass wir neben den diversen Diskussionen („Und was mach ma jetzt?“) ganz vergaßen, dieses Hindernis auch zu photographieren. Stattdessen marschierten wir einfach unverrichteter Dinge den Weg zurück, inklusive Tierkadaver und Buschwerk, und betrachteten diese Wanderung als gescheitert. Deswegen findet sie sich auch nicht in unserem Buch – das aber dennoch „die 33 schönsten Wanderungen und 7 Stadtspaziergänge“ zu bieten hat, also mindestens einen Sommer im Waldviertel zu einem herrlichen Wandererlebnis machen kann.

Irgendwer Zuständiger hätte sich eventuell die Mühe machen können, diesen bekannten Wanderweg an entscheidenden Stellen (oder wenigstens im Internetz) als „wegen Überschwemmung zeitweilig gesperrt“ zu kennzeichnen.

Der alte Wanderfuchs Helmuth A. W. Singer führte den Rückzug an und brach als erster aus dem hohen Buschwerk hervor, als er sich plötzlich drei Damen gegenüber sah. Er hob die Hand zum international bekannten Stopzeichen und äußerte ein schlichtes, aber umso bestimmteres „Nein!“, um die Wandersfrauen vom Weitergehen abzuhalten. Wir erklärten den ungläubigen Damen zwar die Situation, aber sie schienen uns keinen Glauben zu schenken und marschierten trotzdem weiter, auf die Überflutung zu. Man hat nie wieder von ihnen gehört … würde jetzt in einem gruselig angehauchten Abenteuerroman stehen.

Und dann, um die Schmach vollkommen zu machen, fing es auch noch zu regnen an. Auch hier konnte Herr Singer wieder seine Souveränität beweisen (siehe Bild unten), weil er als einziger von uns einen mitgebrachten Schirm aufspannte, während unsereins bestenfalls eine Kapuze hatte und ansonsten einfach nass wurde.

Nach Rückgabe des Bergfriedschlüssels kehrten wir daher in unserer Quartier zurück, duschten erst einmal heiß und zogen uns komplett um, bevor wir ins Mohndorf Armschlag fuhren und uns dort beim Mohnwirten aufs Hervorragendste verköstigten und so die Frustration herunterschluckten.

Aber irgendwann gehen wir den geplanten Weg komplett – und erzählen Ihnen dann auch davon. (ph)


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