Rundgang: Von Brauern und Mauern

Weitra rüstet sich fürs Jubiläum! Die Biermeile ist ausgeschildert, eine Festschrift aufgelegt, das Biermuseum neu gestaltet, ein neues dunkles Spezialbier gebraut – und das alles, um 700 Jahre Brautradition würdig zu feiern.

Der Habsburgerkönig Friedrich der Schöne stattete die Weitraer Bürger 1321 mit Brau- und Schankprivilegien aus. Seit damals wird an diesem Standort Bier gebraut. Damit ist Weitra die älteste Braustadt Österreichs. In der Blütezeit im 17. Jh. gab es hier sogar fast drei Dutzend Braubetriebe. Heute sind nur mehr zwei davon übriggeblieben: Gebraut wird noch in der Bierwerkstatt unmittelbar vor dem Oberen Stadttor und im Brauhotel am Rathausplatz.

Ein Höhepunkt der Feierlichkeiten ist sicher der Weitraer Bierkirtag am 17. und 18. Juli. Es gibt aber auch sonst übers Jahr verteilt begleitende Veranstaltungen. Alles darüber und mehr finden Liebhaber des Gerstensafts unter braustadt2021.at bzw. waldviertel.at/700-jahre-weitra.

Sollten Sie als Wanderfreund anreisen und sich für die Touren im Oberen Waldviertel interessieren, schlagen wir in unserem noch druckfrischen Buch „Wandern im Waldviertel“ Gmünd als Ausgangspunkt vor. Es wäre aber auch möglich, Weitra zu wählen, was den Vorteil hat, für die genannten Veranstaltungen gleich vor Ort zu sein, die Wanderung 1-3 – „Die Wallfahrt-Konkurrenz“ durchs Gabrielental (siehe obiges Bild) – absolvieren und ganz exklusiv das ummauerte Städtchen kennenlernen zu können.

Das geht dann etwa so wie in der folgenden Stadtrunde (die wir aus Platzgründen leider nicht mehr in besagtes Buch aufnehmen konnten, sodass Sie sie nun exklusiv hier in unserem Blog finden):

Weitra liegt etwa 10 km südwestlich der Bezirkshauptstadt Gmünd im Tal der Lainsitz und geht auf eine Gründung des Kuenringers Hadmar II. aus dem Jahr 1201 zurück, der den Verwaltungsschwerpunkt von der geringfügig älteren Siedlung Altweitra auf ein 3 km südlicher gelegenes Granitplateau verlegen wollte und dort eine Burgstadt anlegen ließ. Da heute noch wesentliche Teile der Stadtbefestigung des 14. und 15. Jh.s erhalten sind, zählt Weitra zu den elf Stadtmauerstädten in Niederösterreich und ist heute mit ca. 2.600 Einwohnern land- und forstwirtschaftliches sowie touristisches Zentrum der Grenzregion zur Tschechischen Republik. Der Name der Stadt dürfte sich aus dem Mittelhochdeutschen oder Slawischen für „breiter bzw. gewundener Bach“ herleiten. Der erste urkundliche Beleg für die Civitas Weitra stammt aus dem Jahr 1261. 1296 fiel die Stadt in habsburgischen Besitz, da sich die Kuenringer gegen die neue Herrschaft wendeten.

An der Bierwerkstatt vorbei gelangt man über das Obere Stadttor aus dem Jahr 1526 (siehe oben) bequem zum Herzstück der Stadt, dem Rathausplatz. Hier fällt zunächst die Dreifaltigkeitssäule ins Auge. Sie wurde 1747/48 von Johann Walser errichtet. Weiterer Blickfang ist das frei stehende „Rathhaus“ mit seinem zierlichen Uhrtürmchen. In seiner heutigen Form stammt es aus dem Jahr 1893 und beherbergt auch die Touristeninformation, die u. a. digitale Stadtführer für Smartphones anbietet. Es ist aber auch möglich, freitags und samstags eine Nachtwächterführung zu buchen.

Das auffälligste Bauwerk des Platzes ist aber das in die nördliche Bürgerhäuserzeile integrierte Sgraffitohaus. Entlang der Fenster im ersten und zweiten Stock sind Szenen aus der römischen Frühgeschichte dargestellt, wie sie von Titus Livius überliefert sind. Die unterste Bilderreihe zeigt uns einen Mann über zehn Lebensjahrzehnte hinweg und vergleicht ihn in jedem Abschnitt mit einem Tier: Ziegenbock, Kalb, Ochse, Löwe, Fuchs, Wolf, Hund, Katze, Esel und schließlich einer Gans. Sinnsprüche erläutern die Darstellungen. Entstanden sind die Malereien eines unbekannten Künstlers um 1580; freigelegt wurden sie 1931.

Geht man ein Stück an den schmucken Bürgerhäusern entlang, findet man gegenüber Nr. 55 die Zisterne, einen frühgotischen Gewölbekeller, dessen Anlage als Wasserreservoir ins frühe 14. Jh. datiert werden kann. Gespeist wird die Anlage von Grundwasser, Regenwasser und vom Brunnenüberlauf des oberhalb gelegenen Gasthauses an der Rückseite des Rathauses.

Über die Kirchen- oder die Auhofgasse ist der Kirchenplatz zu erreichen, wo die Stadtpfarrkirche Peter und Paul aufragt. Die um 1200 erbaute romanische Kirche erhielt im 15. Jh. durch spätgotische Erweiterungsbauten das Aussehen einer dreischiffigen Basilika.

Gleich neben dem Neuen Tor an der Stadtmauer steht das Castellihaus. An der Stelle eines alten Karners entstand es Ende des 18. Jh.s. auf Initiative des Vaters des Dichters und Dramatikers Ignaz Castelli (1781–1862), seines Zeichens Hoftheaterdichter am Kärntnertortheater und Hansdampf in der damaligen Kulturszene, der etliche Sommer hier verbrachte. Auch der Dichter und Übersetzer Wilhelm Szabo (1901–1986) war von 1945 bis 1966 Mieter dieses Hauses, als er in Weitra seinen Posten als Schuldirektor versah. Erinnerungstafeln machen auf beide Literaten aufmerksam.

Durch das Neue Tor und eine Mauer tritt man auf die Promenade hinaus. Hier ist Wilhelm Szabo eine Statue gewidmet. Geht man nach links außerhalb der Befestigung weiter, so blickt man durch die Baumkronen ins Ledertal hinunter, das von der Lainsitz durchflossen und von der Bürgerspitalkirche (siehe unten) dominiert wird. Die Anstalt wurde 1341 als Versorgungsstätte für verarmte kranke Bürger errichtet; aus derselben Zeit stammt die frühgotische Kirche zum Heiligen Geist. 1729–31 wurde das Spital barockisiert neu erbaut. Die Bezeichnung Ledertal rührt daher, dass sich im Mittelalter hier am Fluss die Gerber niedergelassen haben.

Über einen Aufgang gelangt man durch einen kleinen Torbogen zu jener Stelle in der Unteren Landstraße, wo sich bis 1885 das Untere Stadttor befunden hat. Stadtwärts erreicht man den Dr.-Kordik-Platz und danach das Haus Rathausplatz 34, wo ein schmaler Durchschlupf zum Hofgraben führt, über den die Aussichtswarte zu besteigen ist. Von ihrer Plattform aus bietet sich ein eindrucksvoller Blick auf die westlichen zinnenbekrönten Mauerteile und die grenznahen Berge des Hinterlandes.

Geht man den Hofgraben weiter (oder auch vom zentralen Rathausplatz über die Schlossgasse bergauf), erreicht man das wichtigste und auffälligste Gebäude und Wahrzeichen der Stadt: das Schloss. 1590–1606 entstand nach Plänen von Pietro Ferrabosco (1512–1588) an der Stelle der alten Kuenringerburg aus dem frühen 13. Jh. der prachtvolle und wuchtige Renaissancebau, wie er sich heute präsentiert. Durch Überbauung des Burgfelsens konnte man eine Verbreiterung gegenüber der Burganlage erzielen. So verfügt der Südtrakt über fünf Geschoße, der Nordtrakt nur über drei. Nach Bränden Mitte des 18. Jh.s wurde der ursprüngliche Turmhelm am Bergfried nicht mehr wiederhergestellt, stattdessen bekrönte man den Turm mit einer Steinbalustrade.

Die Adelsdynastie Fürstenberg ist seit 1607 im Besitz des Prachtbaus und hat ihn einer kulturellen Nutzung zugeführt. Im Schlossmuseum kann man sich umfänglich über Geschichte und Besitzverhältnisse informieren. Dauerausstellungen stellen den „Schauplatz Eiserner Vorhang“ und – wie erwähnt – neu gestaltet die Erlebniswelt Bier in den Fokus. Das 1885 im Rokokostil umgebaute alte Theater wird fallweise bespielt.

Der beeindruckende Arkadenhof ist seit 2006 im Sommer überdacht, um dem dort stattfindenden Festival Wetterschutz zu bieten (2021 wird es jedoch keine Theateraufführung geben). Im Zuge eines Schlossbesuchs sollte man nicht versäumen, über die Holztreppen am alten Uhrwerk und den Glocken vorbei ins barocke Dachgeschoß des viereckigen Bergfrieds hinaufzusteigen. Vom höchsten Punkt aus hat man naturgemäß die Stadt und das umliegende Land nach allen Himmelsrichtungen bestens im Blick.

Nach dem Rundgang lässt man sich am besten ein Glas traditionell gebrauten Weitraer Biers munden und überlegt sich die nächste Unternehmung im Waldviertel. (shaw)


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