Im Land der Karpfenteiche

Bei fast allen Wanderungen in unserem Wanderbuch „Wandern im Waldviertel“ stoßen wir immer wieder auf kleine und größere stehende Gewässer. Das ist kaum verwunderlich – immerhin gibt es in Niederösterreich 1.900 Seen und Teiche, 1.800 davon allein im Waldviertel. Bis auf den Lunzer See wurden sie alle künstlich angelegt. In unserem Wandergebiet dienen 1.400 dieser Wasserflächen (insgesamt 1.600 ha) in erster Linie der Fisch-, insbesondere der Karpfenzucht, die hier eine jahrhundertelange Tradition hat.

Fischteiche bei Franzen

Die idyllischen Teiche tragen – neben den bemoosten Wackelsteinen und den sumpfigen Hochmooren mit ihrer einzigartigen Vegetation – stark zum typisch waldviertlerischen Landschaftsbild bei. Ihre harmonische Einbindung in die Natur ist darauf zurückzuführen, dass man hier anders als bei der klassischen Aquakultur seit jeher großen Wert darauf legte, im „Gleichklang mit den Gegebenheiten der Natur“ zu arbeiten. Die Teichwirte verzichten auf hochtechnische Hilfsmittel und lehnen den sorglosen Einsatz von Antibiotika oder chemischen Düngemitteln ab. Das Ökosystem der Region profitiert durch diese Art der Teichwirtschaft, da die Verlandungszonen (Uferbereich) vielfältige Lebensräume und Schutz für unzählige Insekten, Amphibien und Pflanzenarten bieten.

Die Anfänge der Karpfenzucht

Die Karpfenzucht in Teichen zählt zu den ältesten Methoden der Fischproduktion und hat ihre Ursprünge vermutlich bereits bei den Römern. Der Karpfen selbst dürfte sich aus Kleinasien über das Schwarze Meer und die Donau nach Mitteleuropa durchgeschlagen haben, wo er bis ins Mittelalter hauptsächlich in seinen natürlichen Lebensräumen – Seen und Flüssen – zu finden war. Teilweise wurde er aber auch schon damals gezielt zur Nebennutzung in Rückhaltebecken eingesetzt, die als Wasserversorgung zum Betreiben der vielen Mühlen notwendig waren.

Mit der Ausbreitung des Christentums nahm die Karpfenzucht stark zu. Grund dafür war die Fastenzeit, in der gläubige Katholiken kein Fleisch von warmblütigen Lebewesen essen dürfen – im Mittelalter gab es immerhin bis zu 150 Fasttage im Jahr. Mit dem steigenden Bedarf entwickelte sich eine immer gezieltere Teichwirtschaft. Sie wurde vor allem von den Klöstern betrieben, denen die Jagd zwar untersagt, die Fischerei jedoch gestattet war. Die Mönche wollten sichergehen, dass immer ausreichend Fisch vorhanden war; dementsprechend findet der erste Waldviertler Karpfenteich seine Erwähnung im Jahr 1280 auch im Urbar (= Verzeichnis) von Stift Zwettl.

Karpfen spielten bald auch für Gasthöfe und Wirtshäuser eine wichtige Rolle, da bis Mitte des 18. Jh.s an Fasttagen Fleisch nur an bestimmte Personen ausgegeben werden durfte. Dabei handelte es sich um Offiziere, Personen anderer Konfessionen oder Katholiken, die vom Fasten ausgenommen waren (z. B. kranke oder ältere Menschen). Diese mussten sich zum Speisen dann allerdings in die privaten Räumlichkeiten des Gastwirts zurückziehen. Später begnügte sich die Kirche dann mit einem separaten Raum oder wenigstens einem von den anderen getrennten Tisch.

Es dauerte nicht lange, bis der Karpfen auch zum traditionellen Weihnachtessen in Mittel- und Osteuropa wurde. Grund dafür war der Irrglaube, dass Karpfen geschlechtslos seien und direkt dem Wassergrund entspringen. Damit standen sie metaphorisch für die Jungfrauengeburt von Jesus und eigneten sich so in der Vorstellungswelt der Christen besonders gut für eines ihrer höchsten Feste. Auch zu Silvester und am Aschermittwoch werden Karpfen bis heute als traditionelles Festtagsgericht serviert.

Mit dem Karpfen war aber auch viel Aberglauben verbunden. So soll etwa der Schädel dieses Fisches die Marterwerkzeuge Christi enthalten. Man glaubte auch, dass zusammengesetzte Karpfenknochen dem Heiligen Geist ähneln und gegen Hexen schützen würden. Ein über den Augen des Karpfens vermuteter Stein soll seinem Finder außerdem zu Weihnachten Glück bringen, während die Fischschuppen, über das Jahr bei sich getragen, einen Geldsegen versprechen.

Karpfenzucht heute

Schon im Mittelalter begannen die Klöster mit den ersten Zuchtversuchen, bis die heutige, uns bekannte und bewährte hochrückige Form des Karpfens erreicht wurde, die besonders viel Fleisch verspricht. Heute werden in Niederösterreich pro Jahr ca. 400 t Karpfen abgefischt und verkauft. Der Arbeitsaufwand vom Fischlaich bis zum ausgewachsenen Karpfen mit 2 bis 3 kg Gewicht ist aber nach wie vor gewaltig und verläuft in drei Etappen, die insgesamt vier Jahre in Anspruch nehmen.

Am Teichwanderweg bei Ottenstein

In freier Natur warten Karpfen auf das Hochwasser im Frühjahr, um auf überschwemmte Wiesen zu schwimmen und abzulaichen. Bei der Teichwirtschaft täuscht man den erwachsenen Karpfen im Mai und Juni ein Überschwemmungsgebiet vor, indem man einen vorübergehend trockengelegten Teich flutet. Der bis dahin nachgewachsene Pflanzenbewuchs bietet die idealen Voraussetzungen für das anschließende Laichspiel, bei dem die klebrigen Eier durch kräftiges Schlagen mit der Schwanzflosse verteilt werden und an den Pflanzen haften. Nach vier bis sechs Wochen werden die kleinen Karpfen dann in einen größeren Teich umgesetzt. Bei dieser Gelegenheit bestimmt der Teichwirt auch gleich die Anzahl der Fische, um später die Naturnahrung im Teich optimal nutzen zu können (pro Quadratmeter zwei bis drei Fische). Die „einsömmrigen“ – also einen Sommer alten – Karpfen erreichen bis zum Herbst ein Gewicht von 25 bis 50 g.

Im zweiten Zuchtjahr werden die nun einjährigen Karpfen erneut umgesetzt, und zwar in die größeren „Streckteiche“. Hier bleiben sie, bis sie ein Gewicht von 250 bis 300 g erreicht haben und zu sogenannten zweisömmrigen Karpfen herangewachsen sind. Im Herbst werden sie erneut abgefischt und in noch größere Überwinterungsteiche gesetzt.

Im Frühjahr des dritten Zuchtjahrs ziehen die Fische dann in sogenannte Abwachsteiche mit bis zu 2 m Tiefe und 20 m2 pro Fisch. Mit diesem großen Angebot an Platz und vor allem Nahrung erreichen die Karpfen bis zum Herbst ein Gewicht von etwa 2 kg und sind somit verkaufsfertig.

Das Abfischen der Teiche im Herbst stellt den Höhepunkt des Jahres dar und wird in vielen Gemeinden mit sogenannten „Abfischfesten“ gefeiert (etwa am Bruneiteich bei Heidenreichstein). Dabei lässt man das Wasser aus den Teichen ab, wodurch sich die Karpfen in die „Fischgruben“ – tiefere Stellen des Teichs vor der Ablassvorrichtung – zurückziehen.

Das Abfischen im Herbst

Mit großen Zugnetzen werden sie anschließend ans Ufer gezogen, mit Keschern aus dem Wasser geholt, nach Größe und Art sortiert und in große Wasserbehälter gesetzt. Diese kommen dann entweder direkt zum Kunden oder zu den „Hälterungen“ – von Frischwasser durchströmten kleinen Teichen, aus denen der Fisch jederzeit entnommen werden kann. So gibt es die schmackhaften Tiere, die seit 1999 übrigens auch als Wortbildmarke „Waldviertler Karpfen“ registriert sind, sogar zu Weihnachten frisch zu kaufen.

Mehr zum Thema Karpfenzucht erfahren Sie beispielsweise von Mai bis Ende Oktober im Unterwasserreich bei Schrems. Neben den sehr informativen Schautafeln finden sich auch Aquarien und viele Mitmach-Stationen für Kinder und im Außengehege kann man den Fischottern beim Toben zusehen.

Das Unterwasserreich bietet viele Attraktionen für Groß und Klein.

Öffnungszeiten:

3. Mai – 31. Oktober 2021 täglich von 10:00 bis 17:00 Uhr.

Otterschaufütterung täglich um 10:30, 13:30 und 16:00 Uhr (Dauer ca. 15-20 Minuten)
Mikroskop-Liveshows täglich um 11:30 und 15:00 Uhr (Dauer ca. 20 Minuten)

Kontakt: +43(0)2853/76334
info@unterwasserreich.at

(kat)


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